17
Es gibt eine Million Arten, dieselbe Frage zu stellen, und eine Million Arten, sie zu beantworten.
Kogitoren,
Fundamentale Postulate
Gefangen in einer Luftblase im Zentrum der vier verbundenen Titanenschiffe, schwebte Vergyl Tantor in der Schwerelosigkeit. Selbst Alpträume waren nicht so schrecklich gewesen wie diese Lage, und nun war der junge Mann hilflos. Seine Haut war schweißnass, seine braunen Augen trotzig geweitet. Er verbarg sein Entsetzen hinter einem dünnen Anstrich gespielter Tapferkeit.
So schlecht es auch für ihn aussah, er klammerte sich immer noch an die verzweifelte Hoffnung, dass Xavier kommen würde, um ihn zu retten. Doch tief in seinem Innern wusste Vergyl, dass es unmöglich war. Er würde Sheel niemals wiedersehen, auch nicht seine Söhne oder sein kleines Mädchen ...
Außerhalb der Blase glühten die vier körperlosen Gehirne der Cymeks, während ihre Sensoren die Szene registrierten und sie die verarbeiteten Daten austauschten. Agamemnon, Juno und Dante sowie ihr neu hinzugekommener Kamerad Beowulf untersuchten ihr Opfer in allen Teilen des Spektrums. Der Rest der Gefangenen war bereits tot.
Die Cymeks hatten ihre Gefangenen verhört und jede Menge Spaß gehabt. Vor kurzem hatte Juno interessante und äußerst wirkungsvolle Schmerzverstärker entwickelt, die sie gründlich an menschlichen Sklaven getestet hatte. Der Cymek-General hatte darauf bestanden, die Schmerzverstärker nach IV Anbus mitzubringen, wo sie vielleicht eine geeignete Verwendung finden konnten. Agamemnon hatte gehofft, seinen Sohn Vorian gefangen zu nehmen, der die höchste Ebene der Bestrafung verdient hatte, die einem Menschen zu ertragen möglich war – und darüber hinaus.
Doch er würde sich mit diesen Gefangenen begnügen müssen.
Da Vergyl Tantor als Offizier unter Agamemnons abtrünnigem Sohn gedient hatte, konnte der junge Mann mit wertvollen Informationen über die Armee des Djihad dienen. Bis jetzt hatte er sich geweigert zu sprechen, doch es war nur eine Frage der Zeit – und des Schmerzes.
Agamemnon bemerkte zufrieden, wie Bäche von Angstschweiß über Vergyls dunkle Haut rannen. Die Sensoren zeigten an, dass die Körpertemperatur des Opfers anstieg und seine Herzschlagfrequenz zunahm. Gut.
Während seiner vergangenen ruhmreichen Tage als Titan hatten er und Juno die Feinheiten der erfolgreichen Befragung perfektioniert. Er verstand die fanatische Motivation der Hrethgir, wusste von ihren verdeckten Unternehmungen auf einigen der schwächeren Synchronisierten Welten wie Ix ... wo Xerxes in genau diesem Moment ein nettes Blutbad anrichten sollte. Er hatte auch – noch vor Omnius – erkannt, dass sich die grundlegende Natur des galaktischen Konflikts auf eine andere Ebene verlagert hatte. Die wilden Menschen gaben sich nicht mehr mit der Selbstverteidigung zufrieden. Sie waren zum offenen Angriff übergegangen.
Selbst wenn der Gefangene nichts von Bedeutung wusste, hatte er es dennoch verdient, gefoltert zu werden ... ein ausgezeichneter, lehrreicher Test für Junos neue schmerzverstärkende Geräte.
Wenn es doch nur Vorian gewesen wäre ...
»Nun, Vergyl Tantor – was sollen wir mit dir machen?« Agamemnons Worte hallten so laut durch die Luftblase, dass der junge Mann versuchte, sich die Ohren zuzuhalten. »Sollten wir dich gehen lassen?«
Der Gefangene zog eine finstere Miene und antwortete nicht.
»Vielleicht sollten wir ihn einfach ohne Lebenserhaltungssystem davontreiben lassen und sehen, ob er den Weg zurück nach Salusa Secundus findet«, schlug Beowulf vor, begierig, etwas beizutragen.
»Wir könnten ihm einen unserer Raumschiffkörper leihen«, sagte Dante trocken. »Natürlich müssten wir zunächst sein Gehirn entfernen. Haben wir einen zusätzlichen Konservierungsbehälter mitgebracht?«
»Interessante Idee«, sagte Juno lachend. »Ja! Wir können einen der fanatischen Kämpfer in einen Neo-Cymek verwandeln.« Von ihrem verbundenen Schiff aus sah sie sich um. »Wer meldet sich freiwillig, ihm das Gehirn herauszuschneiden?«
Beinahe gleichzeitig ließen die vier Cymeks rasiermesserscharfe Klingen aus ihren künstlichen Körpern hervorschnellen. Lange Klauen kratzten über die Plazhülle der Luftblase.
»Möchtest du unsere Fragen nun beantworten, Kleiner?«, drängte Juno. Außerdem löste sie einen Agoniestoß aus, sodass sich der Gefangene in der gewichtslosen Blase wand, bis seine Gelenke ein lautes Knacken von sich gaben.
Vergyls Augen waren glasig und starrten vor Schmerz ins Leere, doch er weigerte sich zu sprechen.
Nun überraschte Dante, der normalerweise nicht der gewalttätigste der Cymeks war, seine Kameraden. Von seiner Seite der verbundenen Schiffe feuerte er einen Präzisionspfeil auf den Kopf des Menschen. Das scharfe Geschoss traf ihn in die Wange, zerschmetterte Zähne und durchstieß seinen Mund.
Vergyl spuckte Blut, doch seine Schreie trafen auf mechanische Trommelfellsensoren. Er rief die Namen seiner Frau und seiner Kinder: Sheel, Emilio, Jisp, Ulana. Er konnte nicht darauf hoffen, dass sie ihm helfen würden, aber der Anblick ihrer Gesichter vor seinem geistigen Auge gab ihm Kraft.
Juno schickte einen weiteren Schmerzstoß durch das Nervensystem des jungen Mannes. »Es fühlt sich an, als würde seine untere Körperhälfte in Flammen stehen«, sagte sie in klinischem Tonfall. »Ich kann diese Empfindung so lange aufrechterhalten, wie ich möchte. Ja! Vielleicht sollten wir Lust- und Schmerzsimulationen abwechseln und dadurch die Kontrolle über ihn verstärken.«
Vergyl kämpfte die Schmerzimpulse zurück, riss den scharfen Pfeil aus seiner Wange, schleuderte ihn zur Seite und machte eine trotzige Geste. Agamemnon war darüber außerordentlich erfreut, da es bedeutete, dass der Gefangene frustriert und verängstigt war und keine andere Möglichkeit mehr hatte, sich zu wehren. Der Pfeil schwebte in der schwerelosen Blase umher.
»Tercero Tantor, wie lange kannst du den Atem anhalten?«, fragte Agamemnon. »Die meisten schwachen Menschen schaffen nur eine Minute oder so, doch du siehst jung und stark aus. Könntest du drei Minuten aushalten, vielleicht sogar vier?«
Unvermittelt öffnete sich die Blase und setzte den blutenden Gefangenen dem Vakuum des Alls aus, als die Atemluft rauschend nach draußen gesogen wurde. Bevor Vergyl in die Leere treiben konnte, feuerte Agamemnon eine kleine, mit einem Seil versehene Harpune ab. Der Schaft drang in den Oberschenkel des jungen Mannes und fing ihn wie einen Fisch ein. »Wir wollen doch nicht, dass du uns davonschwebst.«
Vergyls Schrei wurde vom Vakuum verschluckt. Die durchdringende Kälte des Weltraums traf ihn aus allen Richtungen und griff die Zellen seines Körpers an.
Mit einem Ruck eines segmentierten Metallarms riss Agamemnon plötzlich am Seil, und die mit Widerhaken versehene Harpunenspitze grub sich in die Beinmuskulatur des Opfers. Der Cymek-General holte ihn wieder herein, verschloss die Blase und ließ Luft hineinströmen.
Vergyl rollte sich zu einer zitternden Kugel zusammen und rang nach Atem. Der Sauerstoffmangel und die beißende Kälte bereiteten ihm Todesqualen. Mit tauben Händen, die nicht richtig greifen konnten, versuchte er die Harpune aus seinem Oberschenkel zu ziehen. Blutteilchen schwebten in der Schwerelosigkeit davon und besudelten die Innenseite der Blase.
»Was für altmodische Methoden«, sagte Dante. »Wir haben noch keinen ausreichenden Gebrauch von Junos neuen Geräten gemacht.«
»Wir sind mit ihm noch nicht fertig«, sagte Agamemnon. »Es könnte noch sehr lange dauern.«
Ohne Vorwarnung schoss Agamemnon Vergyl zurück in die eiskalte, drucklose Leere, während Juno ihm gleichzeitig einen Impuls mit dem Schmerzverstärker versetzte. Der gequälte Offizier schien zu versuchen, sein Innerstes nach außen zu kehren, als er sich unkontrolliert krümmte. Blutgefäße in seinen Augen und Ohren platzten, doch Vergyl blieb trotzig. Als er wieder in der Blase schwebte, spuckte er Blut und würgte fluchend. Er konnte sein Zittern nicht unterdrücken.
Agamemnon stieß einen mechanischen Arm durch die Blasenwand, um den Gefangenen zu packen und heranzuziehen. Der General legte eine künstliche Hand um den Kopf des jungen Mannes und schoss Nadelsonden durch die Schädeldecke in das weiche Gehirngewebe.
Vergyl schrie, wimmerte Xaviers Namen und erschlaffte dann.
»Er ist in einem Schmerzrausch«, sagte Juno. »Das ist wirklich entzückend.«
Die Cymeks ließen zustimmendes Gemurmel hören.
»Diese Sonden können helfen, direkte Befragungen zu erleichtern«, sagte Beowulf zu Juno. »Ich habe selbst an der Erfindung mitgewirkt, und der Roboter Erasmus hat viele seiner Sklaven verbraucht, um das System zu testen. Bedauerlicherweise werden die Daten nicht in einem Format ausgegeben, das Denkmaschinen direkt aufnehmen könnten.«
»Doch ich kann es«, sagte Agamemnon und gab ein missbilligendes Geräusch von sich. »Das Gehirn dieses Menschen ist gefüllt mit Übertreibungen, Lügen und der widersinnigen Propaganda, die vom professionellen Aufwiegler Iblis Ginjo ausgespuckt wird. Er glaubt das alles tatsächlich.«
»Nichts als nutzlose Informationen«, sagte Juno mit einem spöttischen Seufzer. »Wir sollten ihn einfach töten. Lass es mich tun, Geliebter. Bitte!«
»Vergyl Tantor«, sagte Agamemnon, »erzähle mir von meinem Sohn Vorian Atreides. Er war dein Freund? Jemand, den du respektiert hast?«
Die Augen des Gefangenen öffneten sich zu schmalen Schlitzen. Mit seinen genau eingestellten Trommelfellsensoren hörte Agamemnon sein Flüstern. »Primero Atreides ist ... ein großer Held ... des Djihad. Er wird euch dämonische Maschinen ... zur Rechenschaft ziehen.«
Agamemnon stieß die Gehirnsonden tiefer hinein und entlockte Vergyl ein lautes Geheul. Zwei Drähte aus dem Inneren seines Schädels durchstießen seine Augen. Sie packten seine Augäpfel und zerrten sie tiefer in die Höhlen hinein.
Der Mensch schlug wild um sich und heulte flehend. »Lasst mich sterben!«
»Zur gegebenen Zeit«, versprach der General. »Doch erst musst du Juno helfen, ihre Geräte bei voller Leistung zu testen.«
»Und das könnte noch eine Weile dauern«, schnurrte Juno.
Tatsächlich dauerte es den größten Teil des Tages, bis Vergyl schließlich sein Leben aushauchte. Sehr zum Missfallen der Cymeks, die weiterhin über neue und interessante Tests nachdachten ...